Legal Tech, RDG und Anwaltschaft Teil 3

Legal Tech, RDG und Anwaltschaft Teil 3

Vorab: Mir ist bewusst, dass das ganze Thema mit meinen knapp gehaltenen Ausführungen nicht einmal ansatzweise erschöpfend zu behandeln möglich ist, hoffe aber dennoch, meine Sichtweise und Gedankengänge ein Stück weit transportieren zu können.
In meinen kurzen Notizen orientiere ich mich an recht simplen Formen von Legal Tech obgleich mir bewusst ist, dass es sehr ausgereifte, hochkomplexe und unglaublich effiziente Entwicklungen gibt, einige davon sind mir durchaus bekannt.

Konkreter Einzelfall
Für das Vorliegen einer erlaubnispflichtigen Rechtsdienstleistung ist eine Tätigkeit in einem konkreten Einzelfall erforderlich, was bedeutet, dass es sich um eine sachverhaltsbezogene Rechtsangelegenheit einer bestimmten (juristischen) Person handeln muss, die ausdrücklichen Rat sucht, vgl. u.a. auch Piekenbrock, AnwBl. 2011, 848. Meines Erachtens fällt die Inanspruchnahme z.B. eines (kostenpflichtigen) Vertragsgenerators nicht darunter, denn Rechtsratsuchende wenden sich nicht an einen Dienstanbieter, bei dem sie die entsprechenden Daten selbst eingeben, die ggf. anhand eines Interviewprozesses erfragt werden. Vielmehr nutzen sie entsprechende Anbieter, weil sie gerade keinen Rechtsrat suchen, sondern wissen (bzw. zu wissen glauben), was sie benötigen.
Natürlich kann man sagen, dass es sich bei jeder Angelegenheit um einen konkreten Fall handelt. Die Frage ist aber, ob es sich bei juristischen Massengeschäften, die tagtäglich vielfach vorkommen, immer um Einzelfälle handelt, sei es beispielsweise bei einer ordentlichen Kündigung eines Mietvertrages oder bei der Erstellung von Wohnraummietverträgen. Klar ist, dass teilweise Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Doch z.B. das Anbieten von Standardverträgen als unzulässig anzusehen, die sich unter Eingabe der Kundendaten durch den Kunden selbst erstellen, obwohl man sich dieselben Vertragsmuster überall herunterladen kann, und die „Rechtsdienstleistung“ darin besteht, dass sich Kundendaten automatisch einfügen und meinetwegen entsprechende Textbausteine aufgrund eines vorherigen Interviewprozesses ergänzt oder entfernt werden, wird m.E. zwar der wörtlichen Bedeutung des „konkreten Einzelfalles“ gerecht, keinesfalls jedoch der Auslegung, wie sie gemessen an Schwierigkeit und Umfang einer „Rechtsdienstleistung im konkreten Einzelfall“ sein sollte. Wenn Automatisierung gedeckelt werden kann und sie z.B. Dokumente umfasst, deren Erstellung eine Mandatierung nicht zwingend rechtfertigt, sollte die Interpretation des „konkreten Einzelfalles“ überdacht werden.

Art. 12 GG (=Grundgesetz)
In einem Verbot von Legal Tech könnte zudem eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit gesehen werden, vgl. Art. 12 Abs. 1 S.1 GG. Selbstverständlich darf man die nach Art. 12 Abs. 1 S.2 GG zulässigen gesetzlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelungen nicht außer Acht lassen, dementsprechend auch das RDG nicht.
Doch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 S.1 GG sollte man sich die Entscheidung des BGH vom 31.03.2016 – I ZR 88/15 vor Augen führen, in welcher u.a. ausgeführt wird, es sind bei der Anwendung und Auslegung des RDG
„die typischen Merkmale einer Berufstätigkeit zu berücksichtigen und die grundrechtlichen Belange des Dienstleisters mit den entgegenstehenden Belangen des Gemeinwohls in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. […] Können Daten gesammelt und anhand dieser Daten Massengeschäfte aus eng abgrenzbaren Bereichen mithilfe der elektronischen Datenverarbeitung schematisiert abgewickelt werden, weil die rechtlichen Grundlagen eindeutig sind und keine Ausnahmen kennen, ist keine individuelle Beratung im Einzelfall erforderlich. Entwickelt sich in diesem Bereich ein Spezialberuf, der auf kleine und einfach zu beherrschende Ausschnitte (…) beschränkt ist, (…) so ist dessen Verbot nur erforderlich, wenn es der Abwehr schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dient.”

Das RDG dient dazu, den Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, vgl. § 1 Abs. 1 S.2 RDG. Doch wenn ein Legal Tech-Unternehmen auf Rechtskenntnissen von Volljuristen fußt und man die obigen Ausführungen des BGH berücksichtigt, erscheint ein verfassungsmäßig am Maßstab der Art. 12 Abs.1 GG (und ggf. auch Art. 3 Abs.1 GG) gerechtfertigter Ausschluss von Leistungserbringungen entsprechender Legal Tech-Unternehmen -zumindest teilweise- recht schwierig.
Stellt man für sich fest, dass bei juristischen Massengeschäften keine konkreten Einzelfälle i.S.d. Interpretation dieses Ausdrucks im Rahmen des RDG vorliegen, so kann Software, bei der die Automatisierung gedeckelt ist und z.B. Dokumente umfasst, deren Erstellung eine Mandatierung nicht zwingend rechtfertigt, keine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs.1 RDG erbringen.

Rechtsdienstleistung als Nebenleistung
Möchte man jedoch in der automatisierten Verarbeitung von Kundendaten eine Rechtsdienstleistung sehen, sollte man sich die Frage stellen, ob es sich bei dem automatischen Einfügen entsprechender Daten in vorgefertigte Felder um eine Hauptleistung handelt, oder ob diese Hauptleistung nicht z.B. das Zurverfügungstellen eines Dokumentes ist, welches sich der Nutzer auch ohne seine eingefügten Nutzerdaten herunterladen oder aus einem Buch herauskopieren könnte, was wiederum keinerlei Rechtsdienstleistung darstellt.
Wenn nämlich Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören, sind sie im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, vgl. § 5 Abs.1 S.1 RDG. Dies trägt laut Urteil des OLG Karlsruhe v. 13.10.2010 – Az.: 6 U 64/10 dem Umstand Rechnung,

[…] dass viele gewerbliche Tätigkeiten, deren Schwerpunkt im wirtschaftlichen Bereich liegt, notwendig auch mit Rechtsdienstleistungen verbunden sind. Ob eine Nebenleistung vorliegt ist […] unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Das war es erstmal. Mal schauen, ob noch ein weiterer Beitrag zu diesem Thema von mir erscheint.

Bis dahin!

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