Ziel des RDG
Das RDG möchte den Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen schützen, § 1 Abs. 1 S. 2 RDG. Rechtssuchende sollen davor bewahrt werden, von Personen außergerichtlich rechtlich beraten zu werden, die nicht über die erforderliche Sachkunde zur ordnungsgemäßen Erledigung ihrer Rechtssache verfügen(1).
Schutzbedürftigkeit & Schutzwilligkeit der Nutzer von Legal Tech-Portalen
Gem. § 2 Abs. 1 RDG handelt es sich bei einer außergerichtlichen Rechtsdienstleistung um „jede Tätigkeit in konkret fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.“
(Auch) meines Erachtens ist für die Notwendigkeit der Qualitätssicherung einer Rechtsdienstleistung der Wunsch des Rechtssuchenden nach einer Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 Abs. 1 RDG notwendig, denn eine Schutzbedürftigkeit entsteht nur dann, wenn der Rechtssuchende auch schutzwillig ist, also den Schutzzweck des Gesetzes überhaupt in Anspruch nehmen möchte (²).
„Schutzwilligkeit“
Meiner Meinung nach stellt diese subjektive Komponente einen großen Unterschied zwischen Legal Tech-Portalen und der Anwaltschaft dar. Verbraucher sind schlau, mündig und informiert, sodass ihnen – denke ich- klar ist, dass eine Rechtsberatung nicht per se durch ein Legal Tech-Portal ersetzt werden kann. Sollten sie eine ausführliche Beratung wünschen, werden sie sich selbstverständlich an entsprechende Rechtsanwaltskanzleien wenden. Dementsprechend sollte unter verfassungskonformer Auslegung des RDG berücksichtigt werden, dass Nutzer von Legal Tech-Portalen regelmäßig gerade nicht willens sind, eine Rechtsdienstleistung in Auftrag zu geben, Schutzwilligkeit i.S.d. RDG damit nicht vorliegt. Das Gros möchte schnelle Hilfe in einfachen Angelegenheiten, die sich immer wiederholen und problemlos unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage automatisch erledigt werden könn(t)en.
Man sollte die Schutzwilligkeit des Nutzers nicht per se bejahen und ihn dadurch – natürlich überspitzt formuliert – ein Stück weit entmündigen.
„Schutzbedürftigkeit“
Meines Erachtens sind die Nutzer von (zumindest den meisten) Legal Tech-Portalen auch nicht schutzbedürftig, denn sie erwarten schon von vornherein keine Rechtsberatung und die Abwicklung erfolgt ausschließlich mittels einer aufstrebenden modernen Kommunikationstechnik namens „Internet“ ohne persönlichen Kontakt.
Es wurde vor mehreren Jahren einmal – immerhin durch ein OLG – entschieden, dass eine Hilfestellung beim Ausfüllen von Mietvertragsformularen durch einen Makler kein Verstoß gegen das RDG darstellt(³). Dabei handelt es sich sogar um aktive und persönliche Hilfestellung in einer Rechtsangelegenheit.
“Die Unterstützung beim Ausfüllen eines solchen Formulars stellt schon keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i.S. von § 2 I RDG dar. Nach dieser Norm ist als Rechtsdienstleistung nur eine Tätigkeit anzusehen, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Eine solche ist nicht erforderlich, wenn die Beklagte Kunden […] Hilfe beim Ausfüllen des Mietvertrags leistet. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass sie die erforderlichen Angaben von ihrem Kunden erfragt und in das Formular einsetzt.” (4)
Legal Tech-Portale sind i.d.R. weit davon entfernt, aktive und persönliche Hilfestellung zu geben, dies liegt in der Natur der Sache und ist (auch) Sinn und Zweck. „Vollautomatisierung“ ist das Stichwort, Angaben werden nicht einmal persönlich erfragt. Wenn schon ein persönliches Erfragen von Angaben im Rahmen einer persönlichen Hilfeleistung keine Rechtsdienstleistung darstellt, vgl. OLG Karlsruhe a.a.O., dann sollte dies erst recht für eine Datenbank gelten, mit deren Hilfe eine begrenzte Anzahl von Fragen beantwortet wird und der gesamte Prozess bei weitem nicht soviel um- und erfasst, wie es bei einer persönlichen Befragung und Hilfestellung möglich ist.
Und nein, meiner Meinung nach ist dies keine Begründung für die Annahme von Schutzbedürftigkeit der Nutzer.
1 Heidelberger Kommentar 2014, § 1 Rn. 22 m.w.N
2 Heidelberger Kommentar 2014, § 1 Rn. 23
3 OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2010, Az. 6 U 64/10
4 OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2010, Az. 6 U 64/10